Lyrik in der Baustelle
Wer in den letzten Monaten an der Bochumer Straße in der Nähe des Justizzentrums unterwegs war, hat es gemerkt: hier ist Baustelle! Und zwar so richtig!
Seit Frühjahr 2025 wird zwischen Junkerweg und Virchowstraße groß umgebaut – eines der größten Bauprojekte im Gelsenkirchener Süden. Voraussichtlich soll das Teilstück auf den ca. 900 Metern bis Sommer 2029 fertiggestellt sein. Die ansässigen Kulturschaffenden und Gastronomien lassen sich immer wieder was einfallen, um die Menschen drumherum auf sich in der Baustelle aufmerksam zu machen und den Wandel kulturell zu begleiten. Die Stadt Gelsenkirchen unterstützt verschiedene Aktionen.
Eine dieser Aktionen ist die „Lyrische Baustelle“, die in den vergangenen Wochen mit gleich drei Lesungen für poetische Luftwirbel zwischen Baggerschaufeln und Bauzäunen gesorgt hat. Schreibende aus dem Ruhrgebiet gingen dabei gemeinsam mit Lukas Hermann – Musiker, Synthesizer-Virtuose und Inhaber der Buchhandlung readymade – auf künstlerische Erkundungstour entlang der Baustelle.
Poetischer Auftakt im September
Los ging’s am 21. September mit einer Outdoor-Performance von André Wülfing. Direkt vor dem Wissenschaftspark ließ er das Großstadtleben in Gedichtform aufrauschen – mal leise, mal laut, mal nachdenklich, mal augenzwinkernd. Wer vorbeikam, blieb stehen. Es war diese typische Ruhrgebiets-Mischung aus neugierigem Gucken und ehrlichem Interesse.
Identitäten im Novemberlicht
Am 2. November nahm die Bochumer Autorin Julienne De Muirier das Publikum mit auf eine „Nachtfahrt“ – so der Titel ihrer Erzählung. In ihrem Text beschäftigt sie sich mit schwarzer und weiblicher Identität und öffnete damit einen ganz besonderen, sehr persönlichen Blick auf Themen, die in der Kulturszene des Ruhrgebiets längst angekommen sind, aber immer noch zu selten erzählt werden.
Zum Abschluss: Theaterzauber im irgendDorf
Den Finaltakt setzte am 16. November der Gelsenkirchener Dramatiker Akın Emanuel Şipal. Im irgendDorf las er aus seinem frisch im Oktober uraufgeführten Stück „Der Zauberer von Öz. Opus Özil“ – ein Titel, der so ungewöhnlich ist wie die Geschichten, die er zu erzählen weiß: bildstark, humorvoll, nachhallend.

Sound, der hängen bleibt
Alle drei Veranstaltungen wurden von Lukas Hermann begleitet, der mit modularen Synthesizern abstrakte Klangflächen über die Szenerie legte. Diese Soundteppiche wirkten wie ein Bindeglied zwischen Text, Baustelle und Stadt – und sorgten dafür, dass nicht nur das Publikum, sondern auch zufällige Passant*innen kurz innehielten, lauschten, dabeiblieben.
Stadterneuerung mit Kulturgefühl
Unterstützt wurde die Reihe vom Stadtteilbüro Bochumer Straße im Rahmen des Stadterneuerungsprozesses. Finanziert wurde sie über Städtebaufördermittel von Bund, Land NRW und der Stadt Gelsenkirchen.
Die „Lyrische Baustelle“ hat gezeigt: Selbst dort, wo gerade alles aufgerissen wird, kann Kultur Wurzeln schlagen – und Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Vielleicht habt ihr die Aktionen von Stefan Demming im Sommer zur SCHAUSTELLE auch mitbekommen?

